Topfschlagen und der Kuss
Hi Dittmar, ich hab ein Interview mit dir gesehen, das hat mich berührt.
Kann ich dich was fragen? Wenn es kein Ich gibt, wer ist es dann, der entscheidet, ob ich den Apfel esse oder den Burger?
Zum Thema “Apfel oder Burger”: Im Entscheidungsprozess spielen Vorlieben des Organismus eine Rolle, Erinnerungen daran, wie gut der letzte Burger oder Apfel geschmeckt hat, Gedanken über Geld, Verfügbarkeit (“wo ist der nächste …”), Ökologie und Moral (Veganer), vielleicht der Wunsch abzunehmen oder sich gesünder zu ernähren … und so weiter. Also ein Gedanke taucht auf an einen Apfel oder einen Burger und bringt entsprechende Gefühle mit sich. Das “überzeugendste” = intensivste Gefühl setzt sich wahrscheinlich durch. Dieser Entscheidungsprozess entscheidet, egal ob er bewusst oder unbewusst abläuft.
Soweit meine Beschreibung, in der kein Entscheider vorkommt. Erlebst du es anders oder würdest du es anders beschreiben?
Ich erlebe es schon stark so, dass es einen Entscheider in allen Situationen gibt. Ich habe schon das Gefühl, das ich z.B. ausgesucht habe, was ich studiere und nicht, dass es einfach von selbst passiert ist. Aber das scheint ja der Trugschluss zu sein. Ich muss auch etwas aufpassen, dass ich nicht einfach glaube, dass es so ist und es über mein Erleben drüber lege. Das mit dem Fokus fand ich auch interessant, was du erwähntest, z.B. wenn ich bewusst in den ganzen Körper fühle, so wie Eckhart Tolle das empfiehlt … Wer entscheidet sich dann, den Körper jetzt wahrzunehmen? Auch Erinnerungen? Der Wunsch, eine Übung zu machen? Wann rutscht der Fokus ins Unendliche und wann aufs Spezielle?
Ich hatte nach deinem Video neulich echt erstmals das Gefühl, dass es in mir ruhig geworden ist. Erstmalig. Ever. Aber das setzt dann wieder ganz neue Neurosen in Gang. Teils große Ängste, teils kämpft dann meine Gedankenwelt mit dem Jetzt, im Sinne von: Bin ich noch im Jetzt, wenn ich denke? Zerstört der Gedanke gerade das Jetzt? … so feine Nuancen, die mich ganz kirre machen können.
Wie erlebst du denn diesen Entscheider? Woran merkst du, dass er da ist? Du schreibst: “Ich habe schon das Gefühl, dass ich z.B. ausgesucht habe …” – Wie fühlt sich das an? Und du schreibst: “Ich hatte nach deinem Video neulich echt erstmals das Gefühl, dass es in mir ruhig geworden ist.” Die Ruhe, die du da gefühlt hast ist das die Abwesenheit vom Entscheider-Ich, ist also das Entscheider-Ich nur eine Unruhe, die sich aufs Leben und auf die Entscheidungsprozesse drauflegt?
Für mich war das Wegfallen der Ich-Illusion, als wären die Sinneseindrücke, Gedanken usw. von einem Kleister zusammengehalten, der sich plötzlich als nicht existent erwiesen hat, und die Sinneseindrücke, Gedanken usw. wurden dann als frei schwebend erlebt. Es gibt keine Instanz, die sie zusammengehalten hat, und das war auch nie nötig. Das nur als Beispiel. Denn wie du schreibst, geht es nicht darum, einfach zu glauben, dass es so ist, und das übers Erleben drüber zu legen – weder das Ich noch den Glauben an die Ichlosigkeit. Sondern zu erleben, was du wirklich jetzt gerade erlebst. Also: Wie und wo fühlst du das, was du “Ich” nennst, und wie unterscheidet sich dieses Gefühl von anderen Gefühlen wie z.B. Anspannung oder Angst oder Aufregung? Oder ist das “Ich” etwas, das in den Gedanken vorkommt, und der Körper reagiert darauf mit Anspannung, einer bestimmten Haltung, einer Einstellung dem Leben “gegenüber”?
Zum Thema “Zerstört der Gedanke gerade das Jetzt?”: Wann immer du schaust, ist Jetzt da, oder? Ob mit Gedanken oder ohne. Nur die Aufmerksamkeit kann durch Fantasien und Erinnerungen von dieser Tatsache abgelenkt werden. Aber diese Fantasien und Erinnerungen sind etwas, das im Jetzt auftaucht, ein Aspekt des Jetzt zusammen mit allen momentanen Sinneseindrücken. Hier eine Empfehlung: Stell die Frage: “Was ist Jetzt?” und schau. Alles, was da ist, ist Jetzt. Jetzt tauchen Gedanken auf, Gefühle, Geräusche, Farben … und ist da ein Ich oder “nur” eine Offenheit, in der sich alles zeigt?
Hi Dittmar, danke für deine Worte! Na ja, es fühlt sich für mich ganz konkret so an, als wäre ich es, der z.B. die Luft anhält. Oder wenn ich meinen Körper als Ganzes spüre, gebe ich den Impuls dazu. Wer macht das? Die Ruhe, die ich fühlte, war wie eine Art Urgrund. Von da aus stiegen die Gedanken auf. Es war nicht mehr so, dass ich versuchte, die Gedanken zu beobachten, sondern da war die Stille und dann waren da Gedanken, aber das war egal. Leider kann ich das nicht bewusst erzeugen und es lässt wieder nach. Ein Ich, das konkret meine Gedanken und Gefühle vernetzt, finde ich auch nicht. Dennoch spüre ich das noch nicht bis ins Mark. Es ist vielleicht auch eine Art Glaube.
“Luft anhalten” ist ein gutes Thema. Wer ist es, der dann entscheidet, doch wieder zu atmen?
Ja, die Ruhe / Stille ist der Urgrund, aus dem Gedanken und alles “andere” aufsteigt. Sie ist nichts, das herbeigeführt werden kann oder muss, sondern ist schon da. Immer jetzt.
Techniken wie Chakren-Arbeit oder Microcosmic Orbit haben mit Herbeiführen zu tun, die Energie lenken usw. Das ist etwas anderes als Schauen, was Jetzt ist. Herbeiführen / Anschieben / Methode usw. kann den Glauben verstärken, dass jemand da ist, der etwas herbeiführen kann (z.B. Luftanhalterekord), und der dann versagt oder überfordert ist und vom Leben überwältigt wird (z.B. wenn der Atem sich durchsetzt).
Lieber Dittmar, war das bei dir denn eine längere Phase oder war das plötzlich klar mit der Ichlosigkeit? Also die tiefe Überzeugung der Ichlosigkeit?
Ich nehme mittlerweile sehr gut wahr, dass da kein Kleber ist … nur Gedanken, Gefühle und hin und wieder Stille. Wenn ich frage: “Was ist jetzt?”, dann ist da für eine Weile Stille und dann Atmen. Aber dass ich 100% überzeugt bin und es bis in die Tiefe fühle oder da pures Glück ist oder so … das ist da nicht.
Ist diese Ichlosigkeit eigentlich das, was Buddha Befreiung nannte, oder geht’s “danach” noch weiter? Ich erinnere mich daran, dass die Taoisten sagen, dass mit der Gedankenstille das Mysterium gerade mal anfängt.
Wg. Entscheiden, Luftanhalten usw.: Das lässt sich immer beschreiben als Impuls, der umgesetzt wird. Als Idee / Information, die verwirklicht wird. Wenn du meinst, dass du da als Entscheider dazwischengeschaltet bist, dann ist das doch prima! Dann geht es doch “nur” noch darum, gute Entscheidungen zu treffen. (Allerdings könnte als Nebenwirkung das – latente oder deutliche – Gefühl von Überforderung aufkommen.) Dann kannst du entscheiden, die Aufmerksamkeit auf die gegenwärtigen Körperempfindungen zu lenken. (Entscheidest du dann auch, dich wieder davon abzulenken?)
Solltest du nicht der Entscheider sein, dann ist das ein Lernprozess, wo die Aufmerksamkeit sich immer wieder den Körperempfindungen zuwendet (ausgelöst z.B. durch eine Erinnerung) und der Organismus sich dabei entspannt, was den Prozess bekräftigt und “positiv verstärkt”.
Zu “Wie war’s bei dir?”: Ich bin ja kein Vorbild, sondern das ist jetzt nur eine von vielen möglichen Beschreibungen; also so war’s bei mir: Ich habe sehr intensive, unglaublich beglückende Erlebnisse gehabt, die sich wie Aufwachen anfühlten und es auch waren. Wenn die Ekstase abklang, schien mir, als hätte ich etwas falsch gemacht und wäre deshalb wieder aus dem Paradies gefallen. Ich kannte keine Beschreibung von Ichlosigkeit und habe das Aufwachen mit einem Zustand gleichgesetzt.
Das Verstehen von Ichlosigkeit als Wirklichkeit, in der Zustände kommen und gehen, kam erst später. Auch mit großer Freude, aber irgendwie unaufgeregter, dafür als dauerhafte Klarheit.
Wenn ich das verallgemeinern soll, dann sage ich: Ohne pures Glück würde ich mich nicht zufrieden geben. Gleichzeitig ist das Annehmen der Gegenwart pures Glück.
Das Mysterium endet nicht, so wie eine Liebesbeziehung erst anfängt, wenn du die Liebste kennen lernst. Aber wenn du sie “findest”, dann ist das eindeutig und absolut klar und zweifellos.
Ich habe jahrelang meine Aufmerksamkeit auf bestimmte Körperteile gelenkt, im Qigong oder als Erdungsübungen, ins Hara oder ins dritte Auge, oder Bodyscan … Außer einem guten Körpergefühl hat das nicht viel bewirkt. Letztlich scheint sich aber eine Art stiller Raum in mir geöffnet zu haben seit deinem Video und einem Buch, was ich gerade lese. Würdest du empfehlen, bewusst immer wieder in diesen stillen Raum einzutauchen und die Gedanken, die noch kommen, ziehen zu lassen?
Ja, das Eintauchen in die Stille würde ich sehr empfehlen. Ich glaube, dass Andacht heilsam ist.
Wenn ich den Advaita-Gedanken betrachte, werde ich immer etwas absolutistisch … Also im Prinzip ist ja die Idee, sich so anzunehmen wie man ist. Wenn ich jetzt meine Schmerzen nicht so akzeptiere wie sie sind und sie weg massiere oder Übungen dagegen mache, nehme ich sie nicht mehr wirklich an, oder?
Zu diesem “in Stille eintauchen” … Sind in deiner Stille auch Gedanken und was machst du dann, wenn die auftauchen? Ich habe sehr oft auch fast schon zwanghaftes Denken, wo ich nicht einfach so rauskomme. Und seit ich jetzt immer mal so Stille habe, weiß ich nicht so recht, wie ich da eigentlich hinkomme. Sie ist manchmal einfach da, aber in der Regel eher nicht. Und wenn Gedanken wirklich keine Ich-Grundlage haben und von selbst kommen, kann man ja bewusst auch nicht wirklich aussteigen, weil man ja auch nicht bewusst selber denkt …
“Sich annehmen wie man ist”: Wenn du Hunger hast, lässt du den Hunger, wie er ist, oder tust du etwas für ihn, d.h. erlaubst du dem dahinter liegenden Bedürfnis, sich zu erfüllen, und isst etwas?
Wenn du mit einem weinenden Kind zu tun hast, dann nimmst du es (im Idealfall) an, wie es gerade ist, d.h. du versuchst nicht, das Weinen “abzustellen”. Aber du versuchst, sein Bedürfnis zu erkennen und zu erfüllen, weil du willst, dass es dem Kind gut geht. Wenn du das tust, meinst du dann, dass du das Kind nicht akzeptierst?
Klar, die Akzeptanz ist wichtig, statt “Solange du so bist, akzeptiere ich dich nicht.” Aber zur Akzeptanz gehört auch die Akzeptanz des Bedürfnisses, des Hilferufs. Du tust etwas “für”, nicht “gegen”. Aktivität ist Teil des Lebens und nicht schlechter oder unnatürlicher als Passivität.
Wg. Stille: Ja, bei mir tauchen auch immer wieder Gedanken auf. Der Treibstoff für Gedanken ist Interesse. Interesse entscheidet, ob sie sich mal kurz vorstellen / anbieten oder ob sie weiterlaufen, verfolgt werden. Meistens erscheinen mir die Gedankeninhalte nicht so interessant wie die Gegenwart, deshalb ziehen sie recht zügig vorüber.
Das Interesse an Gedankeninhalten besteht darin, was die Gedanken versprechen: dass sie hilfreich und wichtig sind. Bei genauerer Betrachtung sind sie das oft nicht, so jedenfalls meine Erfahrung. 🙂 Dahinter ist immer die Stille, die sie wahrnimmt. Nur die Aufmerksamkeit wendet sich manchmal so sehr den Gedankeninhalten zu, dass die Stille überhört wird.
Das mit den Gedanken und der Stille hilft “mir”. Danke! Das ist ein guter Umgang, den ich mal beobachten muss. Ich fühle diese Stille im Hintergrund auch, nur wird sie extrem durch Gedankenlärm überschattet und es macht mich phasenweise fast verrückt, weil ich da wieder hin will – aber das so nicht funktioniert.
Ich muss mich teilweise förmlich zwingen aufzuhören zu denken, weil es echt schwer ist, da raus zu kommen, und ich finde den Inhalt nicht wirklich spannend. Auch beobachte ich oft, dass meine Atmung zwanghaft wird, weil im Atemanhalten mehr Stille ist als beim regelmäßigen Atmen. Also der Tun-Aspekt scheint da noch groß mit reinzuspielen.
Glaubst du eigentlich, dass man durch diese Advaita-Art zu leben nicht auch sehr lethargisch werden kann? Ich habe das früher, als ich mich erstmals damit befasst habe, an mir gemerkt, dass mir alles egal geworden ist, weil man ja “eh nix tun kann”…
Ob Advaita lethargisch macht? “Ich würde das gerne beantworten, aber da ist niemand, der antworten könnte.” 😄
Oft wird in der (Neo-)Advaita-Theorie die Illusion, dass da jemand ist, der etwas tun kann, ersetzt durch die Illusion, dass da jemand ist, der nichts tun kann. Die Erkenntnis ist aber, dass dieser Jemand schon immer nur in Gedanken existiert hat und die Gedanken ihm die Entscheider- und Macher-Rolle zugeschrieben haben.
In Wirklichkeit ist es der Gesamtprozess des Lebens, in dem Entscheidungen fallen und Dinge getan werden; das war schon immer so.
Diese letztliche Erkenntnis, dass das Ich echt nicht existiert, kommt die durch wiederholte Erfahrung, dass da nur Gedanken und Wahrnehmungen sind, oder wodurch hat die sich so gefestigt bei “dir”?
Die Erkenntnis hat zu tun mit Sehnsucht, Heimweh, Liebe, mit Vertrauen und mit Loslassen von allem: allen Plänen, Konzepten, Bedingungen, Erwartungen … Wie das geht oder wie das kommt, weiß ich auch nicht. Sehen, dass alles Bisherige nicht funktioniert hat, hilft, glaube ich. Aber ich habe kein Rezept dafür.
Da ist etwas, das ruft und gehört wird, wenn die “eigenen” Vorstellungen nicht höher geachtet werden als der Ruf. Wenn das Vertrauen nicht mehr dem Denken, sondern dem Moment gilt.
Ich würde es auch nicht “gefestigte” Erkenntnis nennen, sondern das Lösen von allen festen Vorstellungen. Es klingt nur dann wie eine Philosophie, wenn es in Worte gefasst wird. Aber es kann nicht herbei gedacht werden. Das Denken kann vielleicht bisschen vorbereiten, aber ab da ist es nur eine Ablenkung.
Und in deinen Gedanken, die auftauchen, ist da noch das Wort „Ich“ dabei? Wenn da immer wieder Gedanken auftauchen mit dem “ich” drin und es jedes Mal kein Ich gibt, ist das ja eine Art Konflikt in Gedanken …
Nein, da ist kein Konflikt. Wenn ich schreibe “Ich schreibe dir” ist da auch kein Konflikt, sondern es ist nur wie alle Beschreibungen unzureichend. Genauso ist es auch bei Gedanken: Gemeint ist der Organismus, durch den (oder als der) es geschieht, Schreiben und Denken und Lesen … “Ich” ist halt eine Redensart.
Also könnte man zusammenfassend sagen, dass du “nur” das Gewahrsein hinter allem bist, und das ständig? …
Ich hatte neulich für Momente ein tieferes Gefühl davon, was Ichlosigkeit bedeutet, und dass das Ich nirgends hin kann, wo es nicht schon ist. Also dass in dem Moment, wo ich Stille will, eigentlich niemand da ist, der Stille will, sondern nur der Gedanke, mit dem man identifiziert ist, als könnte man in die Stille gehen. Dann war ich irgendwie vor den Gedanken.
Allerdings: Immer wenn jetzt das Wort „Ich“ in meinen Gedanken auftaucht, bin ich schnell wieder in der Identifikation drin …
Ja, das stille Gewahrsein hinter und in allem und als alles. Das Gewahrsein, das du bist, kann sehen, wie Identifikation geschieht: Ein Gedanke, durch den die Welt gefärbt wird und das Wunder der Gegenwart verblasst.
Also für mein Ich fühlt sich der ganze Prozess phasenweise sehr verstörend an, so ohne Begleitung … und ich frag mich manchmal, was eigentlich grad abgeht, ob da überhaupt etwas geschieht, ob das alles so richtig läuft oder ich mich in irgendwas verrenne.
Im Prinzip hab ich im Moment das Gefühl, vor meinen Gedanken zu sein. Jeder Gedanke wird erkannt und auch Ich-Gedanken werden als Gedanken erkannt. Phasenweise habe ich aber auch Gedankenrasen, was sich dann oft echt unangenehm anfühlt. Aber die Realität erscheint durch den ganzen Prozess komplett verändert, ein wenig wie auf Drogen; die Wahrnehmung von Dingen ist so intensiv! Die Bewusstheit von bestimmten Dingen wie Atmung bricht kaum noch ab.
Aber im Grunde fehlen ein wenig die Wegweiser, was eigentlich getan werden sollte und was nicht. Also z.B. sollte man im Alltag versuchen, in der Gedankenstille zu verweilen? Oder ist Stille auch nicht besser als Gedanken? Ist die Stille schon das Ziel? Oder ist dieses “vor den Gedanken sein” oder diese Wahrnehmung von allem das Ziel? Oder ist der Beobachter auch nur eine Illusion?
Spricht etwas dagegen, dir Begleitung zu suchen?
Eine Schwierigkeit mit dem “Sollte man …?” und dem “Ist X besser?” und dem “Was ist das Ziel?” ist: Du fragst jemanden und bekommst eine Antwort. Dann fragst du jemand anderen und bekommst eine andere Antwort, und dann bist du so schlau wie vorher, weil alle Antworten für dich wieder nur Gedanken und Meinungen sind.
Deshalb empfehle ich dir, statt “Experten” dein Erleben als Referenz zu benutzen. Und zum Beispiel zu untersuchen:
* Ist Stille besser als Gedanken? Wenn ja, was ist besser daran?
* Wenn die Aufmerksamkeit die Erlaubnis hat, hinzugehen wo immer sie hingehen mag, wo mag sie dann hin?
* Was ist, wenn es gar nichts gibt, was getan werden “sollte”, und alles, was getan werden sollte, sich nur in der Illusion abspielt?
* Was, wenn das Gefühl von “Es fehlt etwas” oder “Es ist etwas zu viel” nur die Folge von diesem “Sollte”-Gedanken ist? Wie ist das Erleben, wenn es nicht durch ein “Sollte” beurteilt wird?
* Was würdest du tun, wenn dein Ziel wäre, zu Gott zu kommen?
Naja, prinzipiell spricht nix gegen eine Begleitung, außer die Schwierigkeit, eine zu finden. Hier vor der Haustür gibt’s niemanden. Ansonsten hab ich bisher nur die üblichen Neo Advaita Satsang Events ausfindig machen können, die mich nicht besonders anziehen. Das ganze ist also nicht so einfach. Wie hast du das denn gemacht?
Das mit dem selber Untersuchen ist natürlich der bessere Weg, jedoch nicht bei allen Fragen so einfach zielführend.
Um mal Punkt 1 anzusprechen: * “Ist Stille besser als Gedanken? Wenn ja, was ist besser daran?” Ich habe jetzt mal eine Woche das Gewahrsein untersucht und praktisch den ganzen Tag Gewahrsein geübt. Hierbei wird praktisch jeder Gedanke als Gedanke erkannt und jede Empfindung oder Gefühl taucht halt auf und wird wahrgenommen, ohne dass ich mich oft identifiziere und wieder in Gedanken verliere. Trotzdem sind viele Gedanken da.
Bei der Entscheidungsfrage, welcher der beiden “Wege” eher zielführend ist, stehen eben auf der einen Seite dieses Gewahrsein und auf der anderen Seite dieses “bewusste in die Stille gehen” zur Debatte. Wenn du also fragst: “Ist Stille besser als Gedanken?” – nach meinem nun jahrzehntelang plappernden Mind ist die Antwort deutlich: Ja, Gedankenstille gefällt mir besser. Es ist mir ja in meiner Lernphase neulich erstmals klar geworden, dass da eben auch Stille ist, die diesen ganzen Prozess wieder entfacht hat. Es fühlt sich mittlerweile so an, als könnte ich bewusst eine Sekunden anhaltende Stille erzeugen, die sich gut anfühlt, die meine Kopfschmerzen verbessert, von der ich aber eben nicht weiß, ob’s das schon ist. Im Prinzip kulminiert die Frage in diesem Text:
(Ramana Maharshi: ALLE GEDANKEN ZERSTÖREN, ein für alle Mal, aus „Sei, was du bist!“)
Wenn Vernichtung von Gedanken Befreiung ist, kann man dann sagen, dass er Erlösung erreicht hat? In Manolaya gibt es eine vorübergehende Absenkung der Gedanken-Wellen, und obwohl diese vorübergehende Periode sogar für tausend Jahre andauern kann, steigen Gedanken, die dadurch vorübergehend beruhigt werden, auf, sobald die Manolaya aufhört. Man darf sich nicht durch solche Zauber von Stille der Gedanken einholen lassen. In dem Moment, da man sie erfährt, muss man das Bewusstsein wiederbeleben und sich fragen, wer ist es, der diese Stille erfährt. Während man den Gedanken nicht gestattet zu stören, darf man zur gleichen Zeit nicht von diesem tiefen Schlaf [Yoga Nidra] oder einer Selbst-Hypnose eingeholt werden. Obwohl dies ein Zeichen des Fortschritts in Richtung Ziel ist, ist es aber auch der Punkt, an dem die Abweichung zwischen dem Weg zur Befreiung und Yoga Nidra erfolgt.
Der einfache Weg, der direkte Weg, DIE ABKÜRZUNG zur Erlösung ist die Erkundungs-Methode. Durch eine solche Erkundung wirst du die Gedankenkraft tiefer steuern, bis sie ihre Quelle erreicht hat und darin aufgeht. Dann wirst du die Antwort von Innen haben und feststellen, dass du dort ruhst, ALLE GEDANKEN ZERSTÖRST, ein für alle Mal. Man muss also den spirituellen Fortschritt genau beobachten. Sadhakas [Suchende] verstehen selten den Unterschied zwischen dieser vorübergehenden Beruhigung des Geistes [Manolaya] und dauerhafter Zerstörung von Gedanken [Manonasa].
Frage ich in dieser Art von Stille: Wer ist es, der diese Stille empfindet? … erscheint das auch nur als Satz im Gewahrsein, mehr passiert dann aber nicht. Übe ich die ganze Woche reines Gewahrsein, eröffnet sich da keine tiefere Stille oder Frieden.
Im Prinzip frage ich mich halt: Was ist die echte und was ist die falsche Stille? Angeblich ist die Identifikation mit dem Gewahrsein oder dem Beobachter ja der Urgrund und tiefe Stille. Ich verstehe nur nicht, wie sich diese Stille unterscheiden soll von der Stille, die ich da erfahre. Scheinbar gibt es ja in meiner Stille noch eine Art Ich, welches in die Stille geht.
Eine weitere Sache, die mir auffällt: Wenn ich in die Stille gehe und lächle, dann erscheint in meinem Feld so etwas wie Frieden (ich habe früher sehr lange diese Meditation des inneren Lächelns geübt, sodass ich mich hier frage, ob ich dann nicht irgendwas generiere, statt das zu finden, was wirklich da ist). Ist dies der Frieden, um den es geht? Wodurch kommt deiner Meinung nach der Frieden?
Genau solche Empfehlungen anderer Leute meine ich. Jeder sagt dir etwas anderes, das du tun oder lassen sollst, Stille erzeugen oder Gedanken zerstören … Für mich jedenfalls wäre der Ramana-Text völlig irreführend gewesen. “Man muss, man darf nicht …” All dieses Machen baut auf die Illusion des Machers; alle Wege bauen auf die Illusion von “woanders, später”.
Ich kann nur für mich sprechen. Ausschlaggebend für mich war das Aufgeben des Machens, jedes Plans und des Beurteilens von Fortschritten anhand eines Plans. “Ja, aber wie macht man das, das Machen aufgeben?” Es ist wie ein Koan – außer, wenn man es als Koan “benutzt”. Da ist die Wirklichkeit, die dich nimmt, wenn du sie lässt. Sie ist magnetisch, und sie zieht dich in sich, wenn du nichts machen und nichts sein willst. Sage ich – einer dieser Leute, die so vieles sagen …
Dank dir. Die Fragen sind halt nur insofern relevant, dass dieses In die Stille Gehen zumindest erstmals meine Kopfschmerzen echt verbessert, und das ist schon mal ziemlich cool. Leider kann ich es durch Austesten aber nicht so richtig ergründen oder rausfinden, was es genau ist, was ich da eigentlich tue, wenn ich in die Stille gehe. Daher bleiben die Fragen irgendwie relevant.
Was denkst du zu der Thematik mit dem inneren Lächeln und der Aufmerksamkeit? Also gibt es in diesem “Ich bin” denn Körperbewusstsein?
Ich habe früher so viele Körperspürübungen gemacht, dass mein Körper immer sehr präsent ist in meiner Wahrnehmung. Wenn ich also meine Aufmerksamkeit auf den Bauch lenke, oder in den Bauch, und meinen Atem wahrnehme, ist das am Ende auch nur ein Gedanke, der festgehalten wird? Ein scheinbares, vorgestelltes Ich, welches glaubt, seinen Fokus in den Bauch zu lenken?
Letztlich macht dieses im Bauch Zentrieren es auch einfacher, in die Stille zu kommen. Nur die Frage ist, inwiefern das nicht wieder ein Konzept ist …
Lass uns mal von einer Prämisse ausgehen: Das getrennte “Ich” ist nur eine Abstraktion, ein soziales Konstrukt. Da ist niemand, der etwas tut. Egal ob an ein “Ich” geglaubt wird oder nicht, es ist nicht die Ich-Illusion, die etwas tut. Sondern da ist ein Fluss von Energien = Informationen. Zum Beispiel der Gedanke / Impuls: “Fokus in den Bauch!”, gefolgt von einem Gefühl von Zentrierung im Dantien und dem Empfinden von Ruhe und Stille. Wenn sich das gut und entspannend anfühlt, warum sollte das nicht geschehen? Dasselbe gilt fürs Innere Lächeln.
Natürlich gibt es im “Ich bin” (oder “Es ist” oder in der Präsenz oder im Erleben) Empfindungen = Körperbewusstsein. Es gibt nichts, das da fehl am Platz wäre oder nicht reinpassen würde. Und wenn selbst die Stille nicht “aufrecht erhalten”, sondern losgelassen wird und sich in ihr alles zeigen darf, wenn Du nur Offenheit bist, in der alles erscheint (was Du bist!), dann kommt dieser Magnetismus ins Spiel, von dem ich letztes Mal geschrieben habe. Es ist eher, dass Du gefunden wirst, als dass Du findest. (Das trifft es aber auch nicht annähernd.) Es ist wie Verlieben: Du führst es nicht herbei, sondern Es erwischt Dich. Und dann ist es ganz eindeutig und zweifellos.
Die Frage, die du stellst (wenn ich sie richtig verstehe), lautet: Ist es sinnvoll, für gute Startbedingungen zu sorgen (Meditation, Aufmerksamkeit lenken …), oder stärkt das eher das Gefühl, der Macher zu sein, und verfälscht das “reine Forschen”? Das Experiment, das ich dir empfehle, um diese Frage zu beantworten, ist: Erforsche, wie das abläuft, den Fokus in den Bauch zu “lenken” oder in die Stille zu “gehen”. Ist da wirklich ein “Ich” beteiligt, das lenkt und wohin geht, oder ist es eher so wie ich es eingangs beschrieben habe: Im Fluss der Informationen kommt ein (z.B. gedanklicher) Impuls und auf wundersame Weise verlagert sich die Aufmerksamkeit auf Bauch und / oder Stille oder ein Lächeln wird spürbar …
Lieber Dittmar, also gibt es nicht so einen Ort, wo die Aufmerksamkeit optimalerweise sein sollte? Wohin sie zurückkehrt, wenn erkannt wird, dass man sich wieder mal in Gedanken verloren hat? Wenn sie z.B. wieder auf die Atembewegung zurückfällt, ist das ja eher eine Konzentration und nicht reine Offenheit.
Du sagtest mal in einem Interview, dass es eine Weite ist, eine Art Raum. Ist das metaphorisch oder ist das ein ganz real existierender weiter Raum? Oder ist der Raum auch schon wieder ein Objekt?
Eine Sache, auf die ich durch das “in Stille gehen” immer wieder treffe und die mich etwas “belastet”, ist diese Qi-/Kundalini-Geschichte. Vermutlich war mein Verständnis davon immer etwas “falsch”, sodass mir dieses Gedanken-Wahrnehmungsgebäude mittlerweile eher wie ein Fluch vorkommt. Also so wie ich früher immer diesen kleinen Energiekreislauf geübt und verstanden hatte, sammelt man im Dantien Qi, bis es dann aufsteigt in der Wirbelsäule oder bis man es von Punkt zu Punkt leitet. Am Ende sollte man es unbedingt wieder im Dantien sammeln, weil sonst die Gefahr bestehe, dass es sich im Kopf sammelt und dort Schaden anrichtet. Das hat sich in mir festgesetzt, ich bin beim nach innen Gehen an dem Punkt, wo mein Qi einfach immer die Wirbelsäule von alleine in den Kopf fließt; ein permanentes autarkes unkontrollierbares Strömen.
Da ich mich von diesen ganzen Übungen verabschiedet habe, sammle ich nix mehr im Dantien. Ich fühle mich aber fast immer nach Meditationen in einem anderen Bewusstseinszustand etwas dizzy oder als ob die Welt unecht wäre … und das führt immer wieder zum Hinterfragen, ob mir diese Qi-Geschichte nicht geschadet hat und ich da Kanäle aktiviert habe, die ich nun nicht mehr kontrollieren kann usw.
Glaubst du, dass man sich mit derartigen Übungen schadet, oder glaubst du, ich hab mich da eher in einem Gedankenkarussell verloren? Vielen Dank für deine klaren Antworten! Ich finde sie sehr hilfreich.
Der hilfreichste “Ort” für Aufmerksamkeit ist zu sehen, wohin sie geht und wie sie dabei ist: weit, konzentriert, liebevoll, neugierig, besorgt, dösig …?
Ja, Offenheit ist wie ein Raum, in dem alles Platz hat und zuhause ist. Fürs Denken ist das eine Metapher, weil das Denken sich immer nur an Objekte halten kann. Fürs Erleben ist es die eine Präsenz in allem, als alles …
Also nicht nur Raum drumherum, sondern auch darin und nichts sonst. Es gibt nichts anderes = Nondualität. Das “Problem” ist nicht die Kanal-Aktivierung oder -Kontrolle, sondern der Glaube, der Aktivierer / Kontrolleur zu sein. Der Glaube, das Richtige tun zu müssen oder zu können. Das ist eine Bürde, die nicht dadurch abgelegt wird, dass du das Richtige tust oder weißt. Sondern die von selbst abfällt, wenn du dich dem Nichtwissen ergibst.
Eine Sache, die sich nicht so richtig erschließt (auch wenn diese vermutlich auch wieder damit beantwortet werden wird, dass es eben einfach niemanden gibt) ist, ob dann jetzt beim still Sitzen einfach die Atmung beobachtet werden “sollte”, der Körper beim Sitzen gespürt wird, die Haltung wahrgenommen wird.
Und die Atmung z.B. ist ja immer da, könnte also immer wahrgenommen werden, oder ist das dann schon Konzentration? Letztlich also: “Sollte” im Moment, im Hier und Jetzt, gespürt werden, oder geht es mehr um die Frage, wer das ganze nun erfährt und wahrnimmt?
Mir ist nicht klar, wie das gehen soll, das Gewahrsein zu sein, und auch der Hinweis, dass ich es schon bin, hilft da nicht viel. Diese Spaltung sorgt in meinem Dasitzen oft für Uneinigkeit, was ich nun “tun” sollte.
Und zu dieser Weite und dem Raum: Kann man denn bewusst erspüren, wie man über die Grenzen seines Körpers hinaus existiert? Eine Art Erfühlen der Aura … Oder ist das auch schon zu viel Visualisation und Tun?
Sei da, ohne zu wissen, was zu tun ist. Alles was du erspürst ist wieder nur etwas, das du erspürst. Sei da, ohne zu wissen, was zu tun ist. Alles darf so sein wie es jetzt gerade ist, alles darf sich zeigen oder nicht zeigen.
Der “Sollte”-Mechanismus macht daraus ein “Aha, ich sollte erlauben!” – Auch das darf so sein und kann gesehen werden. Da ist nichts, das du herbeiführen oder loswerden müsstest. Keine Erscheinung ist wichtiger als jede andere.
Du brauchst die Aufmerksamkeit auf nichts zu richten, weder auf den Körper / die Atmung noch auf den Raum noch auf die Frage “Was tun?” noch auf den scheinbaren Wahrnehmer.
Du kannst einfach sehen, wohin die Aufmerksamkeit geht. Sei da ohne zu wissen, was zu tun ist. Es geschieht alles von selbst, und das wird klar, wenn du aufhörst, etwas zu versuchen. Wenn du kannst, lass das Versuchen los. Wenn du das nicht kannst, sieh das Versuchen, wie es von selbst geschieht: eine Erscheinung, eine Energie im Bewusstsein. Sei da, ohne zu wissen, was zu tun ist.
Aber ohne die Aufmerksamkeit auf die Atmung zu lenken fällt sie eigentlich immer auf die Gedanken und verwickelt sich in Selbstgespräche.
Übrigens, diese Prämisse, dass es kein Ich gibt: Kann das nicht zu einem neuen Glaubenssatz des Verstandes mutieren? Oder ist das ein Glaubenssatz, der ok ist, weil er wahr ist?
Der Nachteil beim Lenken der Aufmerksamkeit scheint mir, dass sie festgehalten werden muss. Und die Illusion des Lenkers aufrecht erhalten wird. Glaubenssätze sind nur Gedanken, egal ob “Da ist kein Ich” oder “Ich bin der Lenker”. Sie sind kein Ersatz für direktes Erleben.
Ok, aber wenn man offen für alles ist und sich dann in Gedanken verliert, ist das “besser”? Du hattest ja gesagt, dass wir von der Prämisse ausgehen … Ich würde das dann eher als eine Art Erinnerung ansehen. Es gibt schon Momente, wo ich sehe: Da ist kein Ich; und dann gibt’s wieder Momente, wo ich es nicht mehr sehe …
Ja, die Erinnerung, dass da noch nie ein Ich zu finden war, oder der Gedanke “Das Ich ist eine Abstraktion, kein Wesen”, das kann hilfreich sein, um neu zu schauen: “Was ist JETZT?” – In den Momenten, wo du die “Ichlosigkeit” nicht siehst, was siehst du dann?
Gedanken und Selbstgespräche. Meist erkenne ich, dass es Gedanken sind, und dann ignoriere ich sie. Aber oft merke ich auch, wie ich mich in Gedanken verliere.
Ja, Gedanken und Selbstgespräche, die so vor sich hin laufen, kein Ich.
Aber in Selbstgesprächen verloren zu sein bedeutet ja, dass man nicht mehr im Moment ist und dass man wieder von einem Ich-Gedanken ausgeht. Wer sollte sonst die Selbstgespräche führen?
Und wenn das Selbstgespräch bewusst wird, dann wird auch klar, dass das Ich nur in Gedanken existiert. Und wenn bewusst wird, dass die Aufmerksamkeit in Gedanken stagniert, dann ist sie in der Gegenwart.
Wie ist es, wenn in dieser Offenheit (wahrscheinlich aus Gewohnheit) die Aufmerksamkeit dann immer wieder zurückfällt auf die Atembeobachtung? Ist das dann einfach vollkommen ok so?
Wenn ich die Atembeobachtung loslasse, geschieht dann in etwa folgendes, ununterbrochen: Atmung wird bewusst, dann fühle ich den Po auf dem Kissen, dann mal die Beine, dann den Qi-Fluss in der Wirbelsäule, im Kopf, dann wieder die Atmung, dann mal ein Gedanke mit dem Hintergrund, dass da kein Ich ist, was das alles macht …
Geschieht das alles automatisch, aus Erinnerungen: Die Aufmerksamkeit springt umher und das gilt es zu beobachten? Das ist dann “das Ziel”?? Es geht also letztlich einfach nur darum, im Hier und Jetzt zu erleben, was gerade stattfindet … die Fußsohle sinnlich zu spüren, wenn man läuft, das Kauen beim Essen.
Die Frage “Wer bin ich?” zielt nur darauf ab, zu entdecken: Da ist kein individuelles Ich. Oder die Aussage “Sei was du bist!” deutet nicht darauf hin, etwas anderes sein zu müssen als der reine Beobachter von allem was passiert, vom Springen der Aufmerksamkeit im Körper – ist das richtig?
Mich verwirrt dieser Widerspruch zwischen einerseits im Hier und Jetzt wahrzunehmen, dass Kinder vorm Fenster vorbeilaufen und dem Hinweis: “Sei was du bist”, da ja das Hören eben nicht das ist, was ich bin. Der Qi-Fluss im Körper oder das Fühlen der Sitzbeine ist ja eben nicht, was ich bin.
Manchmal beim so Sitzen empfinde ich schon eine Freude ohne Grund; oft ist es dann aber im Nachhinein so, das dieses Dizzyness-Gefühl im Alltag auftritt, bis hin zu einer Art leichtem Schwindelgefühl, aber das trifft es auch nicht richtig.
Also die Erkenntnis „Ich kann nichts tun, weil es mich nicht gibt“, ist beim Dasitzen sehr befreiend, lässt allerdings den Qi-Fluss los und erzeugt eben im Alltag trotzdem dieses Dizzyness-Gefühl. Wie geht man dann damit um? Auch einfach zulassen und beobachten?
Vielen Dank für deine Hinweise! Ich finde sie extrem hilfreich in dem Dschungel an Informationen “da draußen”.
Wie ich schon erwähnt habe, bin ich kein Maßstab und möchte nicht sagen “So wie ich es erlebe, ist das einzig Wahre.” Hier also einfach nur eine Beschreibung des Erlebens, kein Soll.
Was ich (anders als früher) erlebe, ist: Da ist dieses liebevolle und geliebte Bewusstsein(sfeld). Die intelligente Offenheit, in der sich alle Erscheinungen zeigen und die sich als alle Erscheinungen zeigt: als Atmung, die in den Vordergrund kommt, dann als ein anderes Gefühl, als die Geräusche und Stimmen vor dem Fenster und als Fenster, als Bewusstheit darüber, wie die Aufmerksamkeit sich in diesem Bewusstseinsfeld bewegt, als Glück, das Einssein in diesem Fluss der Erscheinungen zu erleben und zu sein.
Dazu muss keine Erscheinung aus dem Fluss verschwinden (für “reines Bewusstsein” oder so). Dieses Bewusstsein ist Hier und Jetzt und ist nicht getrennt, sondern eins mit allem, was gerade im Bewusstsein auftaucht.
Jede Erscheinung ist beseelt vom selben Einen. Diese Erkenntnis lässt sich nicht herbeiführen (ich wüsste nicht, wie); sie kommt von selbst, es fühlt sich an wie ein Geschenk, das immer neu und immer da ist. Die Lebendigkeit des Augenblicks.
Das Erleben, auch das momentane Hören, Fühlen usw. ist Ausdruck dieser Lebendigkeit, dieses lebendigen Energieflusses.
Die Aufmerksamkeit muss sich von keinem Aspekt wegbewegen; das wäre wie die Aufforderung: “Achte nicht auf die Blätter, sondern auf den Baum. Achte nicht auf die Äste, den Stamm, die Wurzeln … sondern auf den Baum.”
All das IST der Baum. Die Erscheinungen SIND das Erleben der Lebendigkeit. Es ist nicht nur in bestimmten Erscheinungen zu finden, und es ist nicht in einer fiktiven Abwesenheit von Erscheinungen zu finden. Es versteckt sich nicht, sondern zeigt sich ganz natürlich im Dasein und Nichtwissen. Du kannst nicht vorher wissen, was sich zeigt. Du kannst nur da sein, offen für die Offenheit.
Und wenn es sich zeigt, ist es ganz eindeutig und klar und unmissverständlich.
Danke, das hast du sehr schön beschrieben!
Woher weiß man, dass es die Aufmerksamkeit ist, die wandert, und nicht die Gedanken, die in eine bestimmte Stelle hineinfühlen? Wenn ich bewusst in den Bauch fühle und er kribbelt, ist es ja nicht die Aufmerksamkeit, die im Bauch kribbelt und danach kommt erst der Gedanke und denkt: “Aahh, jetzt fühle ich mal in den Bauch!”
Insofern ist das ganze etwas schwer zu differenzieren, v.a. beim chronischen Kopfschmerz. Wenn der richtig stark ist, wandert die Aufmerksamkeit dort hin. Hier finde ich auch schwer nachzuvollziehen, wie man darunter nicht mehr leidet. Wenn ich erkenne, es gibt kein Ich das selbstständig denkt, ist trotzdem noch das Gefühl da, unter den Dauerschmerzen zu leiden.
Und auch die Aufmerksamkeit machen zu lassen, was sie will, ist schwer, weil die dann dort hängen bleibt, während z.B. das in den Bauch Atmen und die Atmung Beobachten den Kopfschmerz eher verbessert.
Die reine Offenheit scheint zu bewirken, das das Springen der Aufmerksamkeit genauso stark ist wie meine Gedankengeschwindigkeit und das Denken von einem Gedanken zum nächsten.
Hier sehe ich so einen Widerspruch, wo du mal meintest, es ist gut, was gegen die Schmerzen zu tun, wenn man was hat, was hilft und dem “Erwachen” zu reiner Offenheit und die Aufmerksamkeit machen lassen, was sie will.
Ich würde nicht sagen, dass es gut ist, etwas “gegen” die Schmerzen zu tun. Sondern ich sage: Schmerz ist eine Bitte um liebevolle Aufmerksamkeit.
Was immer du wahrnimmst, ist Aufmerksamkeit als der bewegte Aspekt des Bewusstseins. Ob Gedanken, Gefühle, Gerüche …
Es ist nicht nötig zu differenzieren. Da ist einfach dieses Meer der Erscheinungen, daran kann und muss niemand etwas ändern. Das Bewusstsein ruht im Meer der Erscheinungen, die Aufmerksamkeit bewegt sich in ihm. Die Erscheinungen spielen ihr Spiel.
Wenn die Erscheinungen in Ruhe gelassen werden statt dass sie irgendwie zu “besseren” Erscheinungen verändert werden sollen, dann hört die Zersplitterung / Trennung / Differenzierung auf und das Bewusstsein wird klar erkennbar als immer im Meer der Erscheinungen ruhend, in der Ewigkeit der Gegenwart.
Und auch der Impuls, die Gegenwart zu lenken und zu verbessern, kann als eine Erscheinung in diesem Meer erlebt werden. Alle Erscheinungen werden auf einmal als ein einziges Ganzes erkannt, als lebendige Präsenz, als Ausdruck des Absoluten.
Die scheinbare Zersplitterung heilt durch die Lebendigkeit dessen, das immer heil und ganz war und ist und nicht getrennt ist – nicht vom Denken, nicht von der Aufmerksamkeit und ihren Bewegungen, nicht von der Gegenwart, nicht von dir.
Du bist die unbefleckte Empfängnis (um mal bisschen weihnachtlich zu werden). Keine Erscheinung kann das Empfangen / die Offenheit beflecken, keine muss anders werden oder verschwinden. In den QiGong- u.ä. Beschreibungen klingt es oft nach Herbeiführen; mir scheint die christliche Beschreibung der Gnade, des Unverdienten, des Geschenks (Weihnachten) eher passend. Advent = Es kommt von selbst.
Es klingt alles immer sehr schön, was du sagst, und ich habe auch manchmal Momente, wo das tiefer einsinkt. Vielen Dank nochmals dafür!
Mir ist in letzter Zeit oft aufgefallen, dass viele der Advaita-Leute an Krebs gestorben sind. Da wären zunächst Ramana und Nisargadatta, aber ich habe neulich auch ein Buch von Suzanne Segal gelesen; auch sie ist mit 40 rum an einem Hirntumor gestorben. Auch Nathan Gill ist ja recht jung gestorben (weiß nicht ob auch an Krebs).
Interessant ist ja, dass Krebs als eine Art Zweiheit auftaucht. Was ist solch eine Erkrankung denn im Bewusstsein der Nondualität? selbst erschaffen? ein Teil des eigenen Geistes? ein selbst gewählter Todesvollstrecker?
Der Gedanke an Krebs ist eine Erscheinung; das Geschehen, was damit gemeint ist, auch – so wie Kopfweh, Schluckauf, Bäume … und ebenso das Spekulieren übers Warum. Daran ist nichts falsch, nur kann man da halt nur spekulieren, ich auch. Da kannst du genauso gut jeden anderen fragen.
Aber sind Krankheiten komplett unabhängig von dem, der sie kriegt? Und wenn jemand beständig in der Einheit lebt und in ständiger Freude und Liebe, ist es verwunderlich, wenn solch eine tödliche Krankheit entsteht. Hast du dich schon mal mit Ken Wilber beschäftigt?
Ich hab mir jetzt übrigens dein Buch bestellt und die zwei, die du übersetzt hast. Ich bin gespannt und freue mich drauf, sie zu lesen.
Stört es dich eigentlich, dass ich dir so viele Fragen stelle? Ich möchte dir nicht auf die Nerven gehen, aber es bereitet mir große Freude, mit dir zu schreiben. Ich glaube, so langsam sickert das, was du sagst, auch durch. Man soll ja immer nicht über spirituelle Erfahrungen reden, weil sie dann angeblich wieder verschwinden, und ich habe auch Angst, dass es wieder verschwindet, und mein Mind zweifelt die ganze Geschichte sowieso permanent an. Aber wenn ich mich zum “Meditieren” hinsetze, geschieht es immer öfter, dass aus meinem Bauch und Herzen so ein Bliss aufsteigt. Ist es das, worum es bei der ganzen Sache geht?
Manchmal frage ich mich, ob es davon kommt, dass ich früher häufig Übungen gemacht hab und ich ziemlich hypersensibel bin auf jeden Fokus meiner Aufmerksamkeit. Das Komische daran ist, dass dieser Bliss da ist, obwohl meine Meditation eigentlich zu einem einzigen Nachdenken verkommen ist.
Es ist so ein Wechsel zwischen diesem Bliss und meinen Gedanken und dann frage ich mich immer, wer dieses Ich ist, und dann wird mir schnell wieder klar: Es ist nur ein Gedanke – aber obwohl da unentwegt Denken stattfindet, ist der Bliss da. Das ist seltsam, weil ich doch immer dachte, dass die Stille von Gedanken so wichtig ist.
Nein, die Fragen stören nicht und nerven nicht. Ich antworte eh immer das Gleiche, sind ja auch immer dieselben Fragen. 🙂
Bliss ist eine Erscheinung. Gedanken sind Erscheinungen. Der Gedanke: “Was ist besser?” ist eine Erscheinung. “Was soll ich tun?”, “Woher kommt das?” – all das sind Gedanken, die erscheinen und wieder vergehen. “Ich möcht’s aber wissen!” – s. o.
Ich dachte, Bliss (Freude, Seligkeit) ist der Urzustand des Seins, der auftritt, wenn man einfach nur “ist”? Sagtest du nicht anfänglich mal, dass du auch in purer Freude einfach nur da warst? Wenn die grundlose Freude und das Wahrnehmen von Gedanken ohne Denker kein Indiz sind für “Das” – was dann?
“Erscheinung” nenne ich alles, was kommt und geht oder sich ändert, z.B. Zustände wie Freude oder Verwirrung.
Freude, die immer da ist, ist keine Erscheinung. Das Erkennen = Bewusst Sein des Einen Seins zeigt sich in und als Freude. Sie ist das Sein und das Echo im Organismus: die Reaktion darauf, dass alles so sein darf, wie es ist.
Wenn Freude aufkommt, spricht nichts dagegen, sie zu genießen. Sie als besondere Erscheinung zu suchen, verwickelt die Aufmerksamkeit in Erscheinungen und in das “Besser / Schlechter”-Spiel – statt einfachem Sein in und mit den Erscheinungen, wie sie gerade sind.
Wo ist der Unterschied zwischen der Freude des Seins und Freude, die kommt und geht? Also hast du eine Freude, die immer da ist und dann kommt manchmal noch eine, die größer ist?
Die Freude bei mir tritt meist nur beim “Meditieren” auf. Kann das nicht ein Indiz sein, das ich manchmal verstehe zu sein und manchmal wieder in der Story verwickelt bin? Oder ist auch die Freude, die immer da ist … manchmal weg?
Wie ist es mit den Erscheinungen, die kommen und gehen eigentlich in Bezug auf so Sachen wie Kopfschmerz und Tinnitus, der eben nicht kommt und geht, sondern immer da ist?
Der Verstand versucht, sich an “Indizien”, an Maßstäben (“besser /schlechter”, “näher /weiter”, “wärmer /kälter”) zu orientieren. Er geht nach der Topfschlage-Strategie vor, nur funktioniert das nicht (wenn du mich fragst; andere Leute haben ja eine Menge Orientierungspunkte und Rezepte im Angebot).
Dem Verstand scheint es ein Fortschritt, wenn eine Frage beantwortet wird, mit dem Ziel, dass irgendwann alle Fragen beantwortet sind. Das Denken kann es aber einfach nicht erfassen und ist letztlich nur eine Ablenkung (wenn es für relevant gehalten wird).
Meine Empfehlung ist nach wie vor: Sei da ohne zu wissen, orientierungslos.
Hör, wie der Verstand sagt: “Na toll, aber … (woher weiß ich …)”. Lass ihn in Ruhe, dann lässt er dich in Ruhe.
Da ist die eine Präsenz, in der alle Erscheinungen auftauchen. Sie ist keine Emotion und kein Tinnitus, und wenn sie dich küsst, dann ist es klar und fraglos und eindeutig und unzweifelhaft … wie ein Kuss eben.
Das heißt nicht, dass der Verstand plötzlich alle Antworten weiß oder sich keine Fragen mehr ausdenken könnte, sondern es ist klar, dass er das Wesentliche des Kusses, seine stille Lebendigkeit, nicht erfassen kann und muss.
Du kannst nur kussbereit sein, oder aber auf die Fragen hören zu Kusstechnik, Bereitschaft, Vorbereitung, Fortschritten, Indizien für Annäherung, Identifizieren des Küssenden usw.
Und der / die / das Geliebte sagt: “Sei still und küss mich!”
In diesem Kuss ist alles eins.
Vielen Dank! 🙂